Tierschutz: Speziesismus: ein natürliches Verhalten? Der Trugschluss
Tierrechtler sehen sich oft mit folgendem Gegenargument konfrontiert: Menschen bevorzugen von Natur aus ihre eigene Spezies gegenüber den anderen. Menschen bevorzugen Menschen so wie Löwen Löwen oder Pferde Pferde bevorzugen. Speziesismus liegt sozusagen in unseren Genen, und es wäre absurd, ihn zu stigmatisieren.
Diese Kritik möchte ich sowohl als Tierrechtler als auch als Wissenschaftler widerlegen.
Als Tierrechtler:
Der Homo Sapiens ist mit einer Reihe von instinktiven Verhaltensweisen ausgestattet, die wir im Rahmen einer Ethik des Zusammenlebens unterbinden: Vetternwirtschaft, Sklaverei z.B. sind auf "natürliche" Verhaltensweisen zurückzuführen und werden streng als amoralisch betrachtet. Es ist daher richtig, Speziesismus nach dem Kriterium der Zugehörigkeit zu einer anderen Spezies als unmoralisch zu bezeichnen, genauso wie Diskriminierung anderer Menschen nach Hautfarbe oder Geschlecht unmoralisch ist.
Wir betrachten andere nicht deshalb als moralisch wertvoll, weil sie mit uns identisch sind, sondern einfach, weil sie mit uns gleichberechtigt sind.
Als Wissenschaftler:
Aber lässt sich Speziesismus auf instinktives Verhalten zurückführen? Wie Lebewesen aller Spezien sind wir prädisponiert, unsere eigenen Gene an nachfolgende Generationen weiterzugeben. Grundsätzlich betrachten wir nicht verwandte Mitglieder unserer eigenen Spezies als Konkurrenten, und wir sind keineswegs geneigt, sie zu bevorzugen. Unsere entfernten Vorfahren waren bereits mit Fremden in einer Gruppe zu kooperieren, wenn es ihr eigenes Überleben gefördert hatte. Wir replizieren dieses Verhalten jetzt.
Kooperationsbereitschaft basiert auf Gegenseitigkeit einerseits und andererseits auf wiederholten Interaktionen. Erinnert sich der Leser an den Film "Lost" mit Tom Hanks? Der einzige Begleiter des Helden in der Einsamkeit auf der Insel, nachdem er sich aus dem abgestürzten Flugzeug gerettet hat, wird Wilson, ein Volleyball, mit dem er sich Tag für Tag unterhält. Bei seinem letzten Versuch, nach Jahren die Insel zu verlassen und in die Welt zurückzukehren, nimmt er Wilson natürlich mit. Während seine Situation auf dem Ozean bereits kritisch ist, nimmt der Verlust von Wilson auf hoher See ihm die letzte Hoffnung und Kraft.
Absurdes Beispiel? Ganz und gar nicht! Viele Haustierbesitzer entwickeln eine stärkere Bindung zu ihren Gefährten als zu den Angehörigen oder menschlichen Freunden, die sie aus den Augen verloren haben.
Empathische Nähe geht über Artgrenzen hinweg, weil es einfach keine natürliche Veranlagung gibt, die eigene Art zu bevorzugen.
Fazit: Es bleibt denen, die den Speziesismus
verteidigen, nur übrig zu zeigen, wie er mit ethischen Prinzipien zu
vereinbaren ist